Der Name

Man kennt ihn: Karl Marx. Aber immer wieder trifft man auf Menschen, häufig vom Typ besserwisserischer Oberlehrer, die einem mit wichtigtuerischer Miene entgegen schleudern: Karl HEINRICH Marx. Wie kann man sich nur trauen über Marx zu reden, ohne dessen vollständigen Namen zu kennen?

Was ist dran am Karl HEINRICH? Die meisten Menschen tragen zunächst einmal den Namen, der auch in der Geburtsurkunde vermerkt ist (sofern es eine gibt). Viele ändern ihren Namen durch Heirat, im 19. Jahrhundert ausschließlich Frauen, sie nahmen den Nachnamen ihres Ehemannes an. Manche ändern ihren Namen aufgrund von Auswanderung, passen ihren Namen der neuen Sprache an. Dann gibt es noch einige wenige, die einen Künstlernamen haben, der, wenn sie erfolgreich sind, an die Stelle ihres ursprünglichen Geburtsnamens rückt. Und schließlich kennen wir auch noch die Fälle wo ein im Untergrund getragener Deckname, den Geburtsnamen ersetzt, wie bei Lenin oder Trotzki.

Und Marx? Im Geburtsregister der Stadt Trier findet sich einfach nur „Carl Marx“. Ebenso in der Heiratsurkunde und im Ehevertrag mit seiner Frau Jenny. Wo kommt der HEINRICH her? Karls Vater hieß mit Vornamen Heinrich und als sich Karl Marx im Oktober 1835 an der Universität Bonn in Jura immatrikulierte, gab er als Namen Karl Heinrich Marx an. Ob er damit seinen Vater ehren wollte, wissen wir. Karl Marx, der sich zu dieser Zeit weit mehr für Poetik als für Jura interessierte, wollte eigentlich Dichter werden. Vielleicht war ihm der bloße Karl zu profan, Karl Heinrich macht ein bisschen mehr her. Bei seinem Universitätswechsel nach Berlin musste er den Namen mitnehmen, denn das Bonner Abgangszeugnis war auf Karl Heinrich Marx ausgestellt. Und als er seine Dissertationsschrift an der Universität Jena einreichte, machte er das ebenfalls als Karl Heinrich Marx, denn dies war der Name auf dem mitgeschickten Berliner Abgangszeugnis. Die Dissertationsschrift wurde von Marx aber nie veröffentlicht, daher tauchte der Name Karl Heinrich Marx auch auf keinem seiner veröffentlichten Text auf. Sämtliche Bücher und Artikel publizierte er als „Karl Marx“. Nach seiner Studienzeit war vom Karl HEINRICH nicht mehr die Rede.

Aber wie hat es der Karl HEINRICH dann in die Literatur geschafft? Für das „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ hatte Friedrich Engels 1892 einen Beitrag zu Marx beigesteuert und dort dessen Namen mit „Marx, Heinrich Karl“ angegeben. Wie Engels auf den Heinrich kam und warum er ihn auch noch vor den Karl stellte, ist nicht bekannt. Franz Mehring, der nach John Spargo im Jahre 1918 die erste größere Marx-Biographie veröffentlichte, benutzte ohne nähere Erläuterung den Namen Karl Heinrich Marx gleich im ersten Satz des ersten Kapitels. Von dort wurde dieser Name dann vielfach abgeschrieben und bei irgendeinem Abschreiber haben sich dann auch unsere Oberlehrer bedient.